BIO - Marie Elsner
Kunst hatte immer schon einen großen Stellenwert in meinem Leben, auch wenn dies während der ersten Hälfte meiner Schullaufbahn zunächst auf die klassisch-künstlerischen Formate und Techniken und deren Erforschung zutraf. Im letzten Jahr wuchs mein Interesse an den neuen Medien stetig, insbesondere am Medium Video, welches es mir erlaubt, all das, was mich ohnehin künstlerisch beschäftigt, ineinander zu vereinen. Sprache, sowohl in Textform, als auch im Bezug auf die Bildsprache, Ästhetik, Aktuelles und Politisches thematisieren und der Versuch, durch künstlerische Mittel eine Aussage zu treffen. Auch nach meinem Abitur im nächsten Jahr möchte ich mich weiter der Kunst, insbesondere der Medienkunst widmen.
Video, dreiteilig, Found Footage, 2020
"Let us, without panic, face the reality of our times" (Edward R. Murrow)
Das ist ein Versuch. Ein Versuch, zu verstehen, warum Menschen sich in Ausnahmesituationen so verhalten, wie sie es nun mal tun oder warum sich manche scheinbar gar nicht rühren. Woher dieser Antrieb kommt oder warum er bei manchen scheinbar versiegt ist, wie eine vertrocknende Quelle. Niemandem soll hier die Welt erklärt werden, aber vielleicht fühlt sich der Ein oder Andere ja angesprochen, vielleicht nimmt jemand Etwas davon mit.
Unser Protagonist ist auf sich allein gestellt. Er wandert scheinbar planlos durch die Stadt und durchs Grüne, mal missmutig, mal euphorisch. Ups and Downs, hin- und hergerissen, den Boden unter den Füßen verlierend und trotzdem das Gefühl nicht loswerdend, als fiele ihm gerade die Decke auf den Kopf. Er weiß, dass er sich gerade in einer ungewöhnlichen Situation befindet, er weiß auch, dass ihm diese Unannehmlichkeiten zu bereiten vermag. Er weiß, dass da so viel wäre, was getan werden könnte. Könnte. Und trotzdem bleibt eine Reaktion scheinbar aus. Warum ist das so? Lässt sich das in einfachen Worten erklären? Kann man einen Gefühlszustand und den damit einhergehenden Entscheidungsprozess, egal ob dieser schlussendlich Früchte trägt oder nicht, erklären? Ihn strukturieren? Diese Fragen sind maßgeblich für die Entstehung dieses Projektes. Die Ausgangssituation wird vermisst, aber es stellt sich die Frage, ob diese überhaupt so gut, so gerecht war, wie sie in unseren Köpfen idealisiert wurde. Aufnahmen eines Protestes in Hong Kong, Menschenmassen in New York und dazwischen immer wieder die vermeintlich unberührte Natur. All das formt das Bild einer Realität, die selten so verzerrt schien, wie zum jetzigen Zeitpunkt.
Aber wir müssen uns den Umständen stellen. Die Verantwortung darf nicht mehr aus der Hand gegeben werden. Hoffnung als Grundlage ganzer Existenzen, als habe manch einer keine andere Wahl, Hoffnung als Legitimation.
Wie wird gehandelt? Wer handelt wie und weshalb? Und darf man noch guter Dinge sein? Darf man noch hoffen, obwohl man sich so oft so machtlos fühlt?
Danke an
Anton Kramer, DoP
Caleb Felder, Protagonist
Clara Nagel, Assistenz
Und an die vielen lieben Menschen fürs Texte einsprechen: Franka Breunig, Moritz Frank, Sophie Metzmaier, Ron Clarke und Christian Elsner.
TEXT PART II
365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden.
Eigentlich sollte kein Stein auf dem anderen bleiben.
Eigentlich sollte alles in Bewegung sein.
Unermüdlich und gnadenlos.
365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden.
Nonstop.
Immer weiter nach vorn sollte es gehen,
Nie auch nur eine Sekunde stehen bleiben, nur stur geradeaus
Immer weiter nach vorn-
TEXT PART III
Stille.
Diese gottverdammte Stille. Schalldämpfer über allem. Für 30 Sekunden.
Jedes Geräusch einfach vollkommen verschluckt. Aus 30 Sekunden werden ein paar Minuten, aus ein paar Minuten einige Stunden, die Zeit rinnt nicht, sie plätschert und versiegt wie eine vertrocknende Quelle.
Der Überblick, er ist verloren gegangen. Egal was es ist, es trägt hunderte von Namen.
Wie betäubt, ein Kettenglied der gewohnten Ordnung entrissen.
ANGEORDNET. Und trotzdem durch das Raster gefallen. Entfallen. Irgendwo in der hintersten Ecke allein gelassen.
Und es schaut wieder niemand hin.
Ein unsichtbarer Filter hat sich über all das gelegt, man kann weder Wald noch Bäume sehen.
Die ganze Luft ist weg, aber es fühlt sich an, als könnte man im Vakuum ertrinken.
Und dann –
Dann kommt dieses unheimlich beklemmende Gefühl, es bricht geradezu über einen herein.
„Let us, without panic, face the reality of our times.”
Was soll das schon heißen?
Ich weiß, dass ich nichts weiß und trotzdem rede ich mir ein, vollends aufgeklärt zu sein.
Ich weiß, dass ich nichts weiß und vielleicht kann ich deshalb besser schlafen.
Ich rede von „neuer Norm“,
Einem „neuen Normalzustand“.
Das Nonplusultra, Baby!
Alles halb so wild.
Das reicht doch jetzt auch wieder, oder?
JETZT WURDE GENUG REFLEKTIERT.
Vielleicht, aber nur ganz vielleicht, finde ich das ja alles schön und gut so wie es ist?
Und ich will mich eigentlich nicht beschweren, aber das ist doch, als ob man Mehlsäcke in den Taschen hätte, das zieht einen doch nur runter.
Aber wie soll man runtergezogen werden, wenn man gar nicht erst versucht hat, aufzustehen?
Ich lasse mir lieber das Brot backen, als es selbst zu tun.
ABER
Ich schmecke trotzdem dieses Bittere, diese Nuance, die ich beim besten Willen nicht einordnen kann, selbst wenn ich es wollte. Was sagt mir das jetzt?
Was soll ich denn damit anfangen? Kann mir wenigstens jemand sagen, was ich jetzt zu tun habe?
Du hast da so eine völlige Leere in dir.
Das kann man fühlen.
Wie fülle ich mich denn wieder auf?
Keiner weiß etwas und trotzdem haben sie den Sinn des Lebens erfasst. Dabei kann mir niemand helfen. Ihr seid alle blind, blind, blind.
Entweder alle sind verblendet oder gehören einer neuen Elite an, die die Maschinerie der Zivilisation Typ III bereits durchschaut hat.
Ein Extrem jagt das andere.
Und dann tönt es aus jeder Ecke.
Nichts mehr mit benommener Stille, mit Abwesenheit aller Gedanken.
Dann ist alles wieder verdammt laut und jeder hält sich für aufgeklärter als der andere.
Alle wissen es besser.
Ihr seid alle blind, blind, blind.
Doppeltes Unwohlsein. Wir kompensieren, was kompensiert werden muss.
Das passiert ja nicht einfach. Es wird ausgelöst.
Wer hat den Finger auf dem Abzug? Es reicht doch langsam mal. Ich will nicht mehr denken.
Ich will nur noch schlafen. Nicht mehr zuhören müssen.
Lass mich aufwachen und alles wieder normal werden. Lass mir einen schönen Tag.
Aber was ist schon ein einzelner Tag in einer endlosen Spirale der Ungewissheit? Immer wenn ich glaube, dass der Tag noch frisch und unverbraucht ist, wird mir klar,
dass er genauso sein wird, wie alle vorherigen Tage.
Es gibt keinen Unterscheid. Alles fühlt sich gleich an. Die immer gleiche, zähe Suppe.
Mir egal. Egal. Alles egal.
Das passiert ja nicht einfach.
Es wird ausgelöst.
Wir reden von Strohhalmen, davon, dass man jeden zu ergreifen hat.
Sicher?
Sicher doch, die Sicherheit geht vor. Regel XY und hunderttausend Vorsätze, alles in trockenen Tüchern, das ist schon halb gegessen.
Januar, Februar, März, April, die Jahresuhr steht-
Ziemlich still.
Die physische Gebundenheit,
Physische Gebundenheit. Sie hat sich verabschiedet. Verbundenheit, durch Stress gewichen und ersetzt. Niemand ist da. Wochen und Monate. Halbes Leben wird vermisst.
Ich kann auch ganz gut ohne Menschen leben. Ich habe im digitalen Raum so getan, als ob alles normal wäre.
Zu oft alleine mit dem eigenen Kopf. Zu selten Lebenszeichen vernommen. Ermüdend.
März, Mai, Juni. Ausgebrannt die Sonne angebetet. Ich vermisse mich. Bin ich mir gerade selbst am wichtigsten? Ausgebrannt. Verbraucht. Kaputt. Völlig daneben.
1 Platz freigelassen für die Veränderung. Die nie kam.
SPÜREN wir wollen alle mal wieder etwas spüren. Irgendwas.
Funktionieren. Und jetzt?
XY Regeln. Normal- NORMAL.
Regeln, Regeln, Regeln. Alles ist normal. Außer- Nee das passt schon so. Wissen schafft Macht.
Hauptsache das geht wieder. FRUST, leicht verkümmert.
Ich muss mich an Sachen halten, du musst dich an Sachen halten. Wir müssen das alle tun. Eigentlich. Und schlittern auf den Abgrund zu. Dabei müsste das doch gar nicht sein. MÜSSEN, MÜSSEN, MÜSSEN. Ich muss nichts, gar nichts.
Ich will nicht, dass es sich verschlimmert. Ich will nicht, dass die Decke uns unter sich begräbt.
Ich benehm mich grad nicht vorbildlich
Sonst würde ich nicht erwarten, dass es wieder schlimmer wird. Aber von wollen kann nicht die Rede sein. Der winzigste Finger gekrümmt und damit auch nur eine Welle der Entrüstung losgetreten.
Aufpassen. Ohren auf. Augen zu.
Den Fokus nicht verlieren. Immer schön aufpassen.
Wie lebst du.
Lebst du überhaupt?
Ohren zu. Augen auf.
In der Ruhe liegt etwas begraben. Der ganze Müll. All jene hässlichen Vorsätze.
Alles muss raus- Schlussverkauf, 50%.
Der ganze kleingeistige Schrott. Alles verschachtelt und tief verwurzelt in Windungen, die kein normal denkender Mensch zu erkunden wagt.
Tu was, beweg dich.
Lauf los. Bleib stehen.
Die Luft wird dünn, deine Haut auch.
Beweg dich, mach irgendwas, mach nichts. Wenn der Mond morgen vom Himmel fallen würde, was würdest du dann tun?
Du würdest danebenstehen und auf die Sonne warten.
Felder ziehen vorbei.
Kein Baum. Kein Wald. Nur trostloses Grün, kein Leben.
Lauf los, nimm die Beine in die Hand. Oder steckst du fest?
Mach was, bleib stehen. Schrei es raus, fühle.
Aber vor allem,
Tu nicht so, als hätte es dir niemand gesagt.